Der Sportverein Rapid Lienz
Vorgeschichte
Das von England ausgehende Fußballfieber erfasste nach dem 1. Weltkrieg auch die Garnisonsstadt Lienz, und so wurde, animiert durch die hier stationierten Soldaten, im Jahre 1920 der Lienzer Sportclub (LSK) als erster Fußballclub in der Dolomitenstadt gegründet. Dieser gehörte zwar, auf Grund der geographischen Abgeschnittenheit des Bezirks Lienz vom Rest Tirols nach dem Vertrag von St. Germain, dem Kärntner Fußballverband an, nahm aber an keiner Meisterschaft teil, sondern bestritt nur Freundschaftsspiele. Im Jahre 1927 wurde der Arbeitersportverein Vorwärts als zweiter Club in Lienz gegründet, auch er war in erster Linie auf freundschaftliche Begegnungen ausgerichtet. Trotz der vorherrschenden - auch politischen - Rivalität traten Spieler beider Vereine gemeinsam bei Städtemeisterschaften an, und nach der Eröffnung des Sportplatzes Pustertaler Straße am 21. Mai 1932 und den gesellschaftspolitischen Umstürzen in Österreich gingen Vorwärts, nach der Auflösung des ASV 1934, und der LSK eine Art Fusion unter dem Namen FC Lienz ein. Dieser wurde jedoch bereits im Jahre 1938 aufgelöst, die Spieler waren aber noch bis zum Kriegsausbruch unter anderem im FC GÖC (Konsumgenossenschaft) oder auch in einer Wehrmachtself aktiv.
Gründungsjahre
Als erster Verein nach dem 2. Weltkrieg wurde im Herbst 1945 der Arbeitersportverein (wieder-)gegründet. Doch nur wenige Monate später, bei der Sitzung vom 15. März 1946 im damaligen Schraffl-Saal, wurde nach Vorschlag des damaligen Gemeinderates Siegfried Ronacher die Einrichtung des Sportvereins Rapid Lienz beschlossen, der als un- bzw. überpolitischer Club die Fußballbegeisterten der Stadt vereinen sollte. Als erster Obmann wurde Franz Schubert gewählt. Die ersten Spiele bestritt der neue Verein gegen britische Garnisons- und diverse Lagermannschaften, und es kam auch schon zu ersten Kontakten mit Clubs des Nachbarbundeslandes Kärnten. Nach der Aufnahme in den dortigen Fußballverband und der Eingliederung in den Meisterschaftsbetrieb wurden durch Verpflichtung bekannter österreichischer Spielerpersönlichkeiten als Trainer (Ex-Nationalteamspieler Karl Humenberger, später Vickerl Kubicka) Zeichen für die positive Zukunft gesetzt. Die erste Kampfmannschaft selbst bestand ebenfalls nicht nur aus Einheimischen wie den Heimkehrern Leo Wieser, Friedl Suntinger, Pepi Angerer, Franz Ruß, Luis Angermann, Erich Salcher, Fritz Goller, Pepi Ortner, Ernst und Sigi Ronacher, Otto Kolar, Willi Mitterberger, Friedl Stolzlechner, auch einige volksdeutsche und jugoslawische Spieler (z.B. Fiedler, Damaschun, Hörchner, Trschkan, Pidinov) wie auch englische Besatzungssoldaten (z.B. Oblt. Fayers) komplettierten in den ersten Jahren das Team. In diese Zeit fällt auch der damals überraschende 3:1-Erfolg gegen den Grazer AK, der bei einer Gastspielreise durch Kärnten zuvor alle Spiele deutlich gewonnen hatte und die Kärntner Presse zum Kommentar „Rapid Lienz rettet Kärntens Fußballehre“ veranlasste.
Der Aufschwung
Nach einigen Jahren mit wechselnden Erfolgen in den Kärntner Meisterschaften (knappes Verfehlen des Aufstiegs in die Tauernliga, aber auch Abstieg in die Unterliga) erlebte der Fußballsport in Lienz einen neuen Aufschwung, mitausgelöst durch das im Jahre 1964 eröffnete, von der Stadt Lienz den Sportlern zur Verfügung gestellte neue Dolomitenstadion mit seinen Trainingsanlagen, welche nach einigen Umbauten auch heute noch den Dolomitenstädtern als fußballerische Heimat dienen. 1963/64 konnte mit einer hauptsächlich aus eigenem Nachwuchs gebildeten Mannschaft, bestehend u. a. aus K. Sprenger, Bubi Straßer, Hermann Auer, Walter und Franz Oberhuber, Ernst Grandegger, Andi Gasser und Walter Goller, der Wiederaufstieg in die Kärntner Liga erreicht werden. 1965 wurde der Ex-Teamstürmer Ernst Melchior angeworben, und nach einem kurzen Trainergastspiel von Karl Durspekt in der Saison 1966/67 betreute Bubi Staßer die Mannschaft als Spielertrainer. 1968/69 übergab er seine Leitungsfunktion an Pepi Webora, der den SV Rapid Lienz auf Anhieb zum Kärntner Meistertitel führte, was gleichzeitig auch den Aufstieg in die Regionalliga Mitte, der damals zweithöchsten österreichischen Spielklasse, bedeutete.
Die Hochblüte
In den folgenden Jahren konnte man sich nicht nur in der zweithöchsten Liga halten, man brillierte auch vorübergehend, so zum Beispiel mit dem Herbstmeistertitel und dem dritten Tabellenplatz in der Saison 1970/71 hinter dem Meister und Aufsteiger WSV Donawitz und dem SV Kapfenberg, jedoch noch vor fußballerischen Größen wie dem Villacher SV, der Austria Klagenfurt und Vorwärts Steyr. Im darauffolgenden Jahr, unter Trainer Sikic, konnte man im Österreichischen Cup nach Siegen über die Klagenfurter Austria und den Grazer AK gar bis in das Achtelfinale vordringen, in dem man dem Wiener Sportclub allerdings 3:0 unterlag. Die Revanche dieser Niederlage folgte einige Jahre später. 1972/73 folgte wieder Straßer als Spielertrainer. 1974 wurden die österreichischen Ligen grundlegend reformiert und die Nationalliga als zweithöchste Spielklasse eingeführt. Rapid schaffte es mit Trainer Lukic durch einen erneuten dritten Platz in der Schlusstabelle der Regionalliga Mitte, die Play-off-Spiele gegen den Dritten der Ostliga, den Badener AC, zu erreichen. Durch zwei 1:0-Siege qualifizierte man sich somit für die neue 2. Liga, in der man auf Anhieb einen gesicherten Mittelfeldplatz einnehmen konnte. 1975/76 übernahm Spielertrainer Dolfi Blutsch das Ruder, und mit ihm erreichte Rapid Lienz seinen wohl größten Erfolg, der aber einen schalen Beigeschmack haben sollte. Im österreichischen Fußballcup konnte man nach Siegen über WSV Liezen (2:0) , den Wolfsberger AC (2:1) und den Erstligisten Linzer ASK (1:0) im Viertelfinale die Dornbacher eliminieren, die noch ein paar Jahre zuvor Lienz aus dem Cup geworfen haben (SV Rapid Lienz – Wiener Sportclub 3:1). Somit war man fürs Semifinale qualifiziert und traf dort auf den regierenden Meister, den FC Wacker Innsbruck, ein besonderes Spiel für die Rapidler Sommer, Trenkwalder, Kastner und Peer, die zuvor bei den Schwarz-Grünen engagiert waren. Nach einem spannenden Spiel mit verrückten Toren (Tormannfehler, Abseitstor, Eigentor), in dem Rapid Lienz in den Schlussminuten dem Ausgleich und damit auf Grund der damals gültigen Auswärtstorregel dem Aufstieg näher war als Wacker der endgültigen Entscheidung, musste man sich doch mit 2:1 geschlagen geben und konnte kein finales Rapid-Brüderduell gegen die schon qualifizierten Grünweißen aus Hütteldorf spielen. Das wohl tragischste an dieser Saison war aber, dass die in den Cup geworfenen Kräfte im Abstiegskampf der Nationalliga fehlten, und man nur auf Grund des um drei Treffer zu niedrigen Torverhältnisses absteigen musste, da der direkte Konkurrent SC Tulln in den letzten Runden überraschende Punkte einfahren konnte. So ging das Abenteuer Zweite Liga nach sieben Jahren zu Ende.
Die Kärntner-Liga-Jahre
Nach dem Abstieg musste Rapid Lienz einen schmerzhaften Spieler-Aderlass hinnehmen, und so konnte man den sofortigen Wiederaufstieg als Tabellenzweiter unter Spielertrainer Herbert Oberhuber nicht realisieren. Weitere Abwanderungen bedeuteten ein noch tieferes Abrutschen in den Alltag der Kärntner Liga, und dennoch konnte man einige Male wieder aufzeigen, sei es durch ein Mitmischen im Titelkampf oder durch Spiele im österreichischen Fußballcup. 1978/79 konnte der Meistertitel errungen werden, die auf Grund des Fehlens einer Regionalliga Mitte zum Aufstieg in die Zweite Division notwendigen Qualifikationsspiele gegen Flavia Solva gingen allerdings 2:1 (a) und 1:3 (h) verloren. In der Saison 1982/83 folgten der nächste Titel und die nächsten Play-off-Spiele, und wiederum konnte man sich nicht durchsetzen und musste dem ASK Voitsberg den Vortritt lassen. Angemerkt sie, dass dieser Meistertitel mit einer Kampfmannschaft errungen werden konnte, in welcher sechs U-18-Spieler aktiv waren, nämlich Reinhard Eder, Hannes Ladinig, Hannes Außerdorfer, Anton Leitner, Roman Mühlmann und Walter Hartlieb. Dies wiederholte sich auch 1986/87, als man nach erfolgreichem Ligagewinn zwar die Chemie Linz hinter sich lassen konnte, gegen den SV Kapfenberg allerdings erneut den Aufstieg verpasste. Im Sechzehntelfinale des ÖFB-Cups der Saison 1987/88 traf man nach einem Erfolg gegen den SV Grieskirchen auf den FC Swarovski Tirol, ehemals FC Wacker Innsbruck. Vor über 3.000 Zuschauern, die das Lienzer Stadion an seine Kapazitätsgrenzen brachten, musste man sich 0:3 geschlagen geben. 1989/90 konnte noch ein letztes Mal im österreichischen Cup ein Überraschungserfolg gelingen, als in der 2. Runde bei strömendem Regen der Erstligist Vorwärts Steyr durch ein Tor des Spielertrainers Robert Idl besiegt werden konnte. Im Sechzehntelfinale traf man allerdings erneut auf den österreichischen Meister FC Swarovski Tirol, Idls ehemaligen Club. Vor abermals 3.000 Zuschauern im Dolomitenstadion gelang es, eine Stunde lang das Spiel offen halten, um dann doch mit einer 0:4-Niederlage gegen das Innsbrucker Starensemble von Trainer Ernst Happel vom Platz gehen zu müssen.
Kurzer Höhenflug, schneller Niedergang
Erst zehn Jahre später, 1996/97, schaffte es Rapid Lienz, eine Klasse höher zu rücken, diesmal jedoch in die zwei Jahre zuvor eingeführte Regionalliga Mitte, die damit dritthöchste Spielklasse. In diese konnte man sich in der darauffolgenden Saison gut einleben, 1998/99 erreichte man gar den fünften Rang. Trotz eines hervorragenden Nachwuchses (z.B. Robert Mayer, Wolfgang Mair, Bernhard Erkinger u.a.) wurden Stimmen laut, die durch mehr Investitionen noch mehr zu erreichen hofften und dadurch die moderaten Mahner übertönten. Die finanzielle Belastung war durch den normalen Spielbetrieb schon beinahe zu groß, Fehlkäufe verschlimmerten in kürzester Zeit die ohnehin schon angespannte Budgetlage, und so musste man in der Saison 1999/2000 Konkurs anmelden. Der Weg des grünweißen Traditionsclubs aus Lienz, der in den seinen letzten Jahren auch eine erfolgreiche Damenmannschaft führte, endete nach nur 54 Jahren somit nicht am grünen Rasen, sondern am grünen Tisch.
Nachspielzeit
Für die Damen- und Nachwuchsmannschaften, welche anfänglich noch unter dem Namen FC Lienz weiterspielten, wurde mit dem zweiten Lienzer Club, dem Konkurrenten ASV, ein Auffangverein gegründet, wofür dieser allerdings seinen Namen opfern musste. Der nun in gelb-blau spielende SV Lienz konnte allerdings zu keiner Zeit an die Erfolge seines ehemaligen großen Bruders anschließen, der Fußball der Dolomitenstadt steckte in einer veritablen Krise – und die Umbenennung bestehender Vereine wurde fortgesetzt, aus dem in der letzten österreichischen Spielklasse tätigen Fußballverein UKAJ Lienz wurde Rapid Lienz F.C.. Und noch einmal wurde eine Fusion angestrebt, mit welcher die Mannschaft der ehemaligen UKAJ von der Bildfläche verschwand und aus dem SV Lienz ein grün-weißer Fußballclub Rapid Lienz Tirol Milch wurde. Innerhalb von zehn Jahren wurde somit der Lienzer Fußball, der schon vorher mit Fusionsgedanken (z.B. mit FC WR Nußdorf-Debant) zu Gunsten eines FC Osttirol konfrontiert war, dezimiert: Von vier Vereinen und drei Kampfmannschaften (SV Rapid Lienz, ASV Lienz, UKAJ Lienz, und im Nachwuchs Borussia Lienz) auf den einzigen Überlebenden, Rapid Lienz Tirol-Milch, welcher ab der Saison 2008/09 wieder in der Kärntner Liga spielerisch tätig ist.
Erfolge
1 x ÖFB-Cup Semifinale
Saison 1975/76.
7 x Zweite österreichische Liga
Regionalliga Mitte (dort größte Erfolge Herbstmeistertitel und 3. Platz in Endtabelle) in den Saisonen 1969/70 bis 1973/74 bzw. Nationalliga in den Saisonen 1974/75 und 1975/76.
5 x Meister Kärntner Liga
Saisonen 1968/69, 1978/79, 1982/83, 1986/87 und 1996/97.
2 x Meister Kärntner Unterliga
Saisonen 1958/59 und 1963/64.