Couldn't stand the weather...
It's raining men, oder: Eine Fußballlektion vom Englischprofessor...
Neue Männer braucht das Land, aber nach dem Abgang von vier Stammspielern hatte sich nicht allzu getan am Spielersektor des SV Rapid zu Beginn der Saison 1989/90 - ausgenommen natürlich am Kommando: dort stand nun mit Robert Idl ein ehemaliger UEFA-Pokal-Semifinalist, einstiger Schützling von Felix Latzke wie auch Ernst Happel, Ex-Wackerianer vom Tivoli und, wie nebenbei, ausgebildeter Englisch- und Sportlehrer. Dieser war nun in Lienz angetreten, um eine Mannschaft mit jungen Spielern neu zu formen und ihnen das Direktspiel beizubringen, das er beim großen Aschyl erlernt hatte. Und natürlich musste die Kampfkraft, die Verbissenheit, die Motivation gestärkt werden, ohne die kaum ein Spiel gewonnen werden kann.
Stormy weather
Stürmische Zeiten standen den Grün-Weißen bevor, denn es galt nicht nur, sich in der Landesliga mit einer ungünstigen Auslosung (Friesach, St. Veit auswärts in den ersten beiden Runden) auseinanderzusetzen, sondern auch im ÖFB-Pokal seinen Mann zu stehen. Die erste Hürde (abermals St. Veit) konnte durch Konzentration und kraftraubenden Einsatz bis zur letzten Minute genommen werden, aber das knappe 2:1 zeigte ein Problem auf, das es zu beheben galt: die mangelnde Chancenauswertung. Und auch die Generalprobe zur 2. Cup-Runde kann nicht gerade als gelungen betrachtet werden (wenn auch nicht als Misserfolg), mehr als ein 1:1 zum Liga-Auftakt bei den Burgenstädtern war leider nicht drin. Und so wartete man gespannt, was das Los bringen würde.
Red, red rain
Die rote Vorwärts aus Steyr wartete als nächster Gegner, und es war nicht gerade ein angenehmes Los. Zwar lag ihr größter Cup-Erfolg, das Erreichen des Finales, schon exakt 40 Jahre zurück; zwar hatte die Union Matrei vor drei Jahren nach Rapid Lienz im Elfmeterschießen eben diese Vorwärts-Mannschaft in der zweiten Runde aus dem Pokal bugsiert (um ihrerseits im Sechzehntelfinale an St. Veit zu scheitern, die Welt ist klein); zwar hatten die Grün-Weißen beim ersten Aufeinandertreffen 1970 den damaligen Aufsteiger in die Regionalliga mit einem 7:1-Heimerfolg regelrecht deklassiert - doch in den folgenden sieben Duellen konnte man nur noch einmal als Sieger vom Platz gehen, auch wenn man in drei von vier Saisonen vor ihnen platziert war. 1979, als durch den Titelgewinn der Wiederaufstieg in die zweithöchste Spielklasse winkte, konnte man nach den Playoff-Niederlagen gegen Flavia Solva wiederum den Oberösterreichern nur von der Ferne beim Siegen zuschauen. Und nun kamen diese gar als Erstdivisionär mit stolz geschwellter Brust ins Dolomitenstadion. Zu stolz vielleicht, denn nicht die besten Spieler wurden am Platz aufgeboten, und so sahen im Vorfeld die Tiroler Gazetten eine 30:70-Chance eines Osttiroler Aufstiegs, und auch Spielertrainer Idl glaubte an ein „akzeptables Ergebnis gegen Madlener, Brankovic und Co“, vorausgesetzt, man würde die ersten 20 Spielminuten überstehen. Und vorausgesetzt natürlich, das Publikum (man erhoffte sich, wieder einmal, die 1000er-Grenze zu knacken) würde die Mannschaft unterstützen und nach vorne peitschen.
It just keeps rainin' (If it’s raining, it’s raining)
Weit gefehlt hatte man bei der Einschätzung des Fanandrangs, hatte es doch Petrus nicht gerade gut mit den Ballesterern gemeint. Es türmten sich bedrohlich dunkle Gewitterwolken über dem Talboden auf, und so verirrten sich nur die 600 Treuesten, Neugierigsten und Wetterfestesten ins Stadion (und unter ihnen ein kleiner Junge, der gespannt das Auftreten „seiner“ Spieler gegen die Heimmannschaft seines Paten erwartete). Die Industriestädter waren ohne die Mannschaftsstützen Madlener, Lukic, Piesinger und Gröss auf den Platz getrabt und glaubten, auch so die Partie nach Hause spielen zu können. Das dachten im Vorfeld wohl auch die meisten Zuschauer, doch die jungen Kicker in Grün-Weiß bewiesen das Gegenteil. Trotz teilweise strömendem Gewitterregen und tiefem Terrain hielt sich der Landesligist wacker im Spiel, verlegte sich nicht nur auf’s Verteidigen (das Bollwerk rund um Hartlieb und Hans Micheler hielt dicht gegen die Sturmspitzen des Erstdivisionärs, Brankovic und Polanz), sondern trug den Ball auch nach vorne und versuchte mit Schüssen von Steurer und Gomig aus der Distanz schon früh, Kapital aus den wetterbedingten Umständen zu schlagen. Dennoch waren es die Steyrer, die erstmals gefährlich anklopften. In der 28. Minute hielt Lienz kollektiv den Atem an, als ein Schuss von Schaupp an die Querlatte klatschte. Der Lienzer Torhüter Tscherner, Nachfolger des zum Zweitdivisionär WSG Wattens gewechselten Manfred Niederwieser, bewahrte Nerven und kontrollierte mehrfach den nassen Ball gekonnt. Einige Male ließen die Erstdivisionäre ihre Klasse aufblitzen, doch im Gesamten ging das torlose Unentschieden zur Pause in Ordnung.
Thunderstruck
Und so war es der Donnerschlag des Lienzer Kapitäns, der dem himmlischen Gewitterspiel Paroli bot. Nach guter Offensivleistung von Schmuck und Omerhodzic (der ebenfalls einmal Aluminium erklingen ließ) gelangte in der 62. Minute ein Querpass auf die linke Angriffseite, Schmuck schickte den Ball mit einem herrlichen Stanglpass flach an den Fünfer, der von hinten kommende und eigentlich bedrängte Idl rutschte hinein – das Netzt bauschte sich, das Stadion jubelte, und vom Himmel goss es weiter in Strömen. Die nun aufgeweckten Steyrer waren jetzt gefordert, schwächten sich jedoch kaum 10 Minuten später selbst, als Schaupp beim einzig derben Foul der Partie Salcher von hinten ohne Ball niedergrätschte und mit Platzverweis unter die Dusche musste (was sich wohl kaum anders anfühlte als am Rasen selbst).
Crying in the rain
Und so blieben den von der strikten Manndeckung eingeschnürten Erstdivisionären meist nur noch Distanzschüsse als probates Mittel zum Egalisieren, doch als auch diese, wie z.B. ein Hammer aus der zweiten Reihe von Nowak in der 89. Minute, vom sicheren Lienzer Schlussmann geklärt wurden, mussten sich die Rot-Weißen ihrem Schicksal ergeben, noch dazu waren die Dolomitenstädter durch klug angetragene Konter dem 2:0 am Ende doch näher. Wohl einzig Hochedlinger, der einen tadellosen Libero gab, hatte sich an diesem Abend nichts vorzuwerfen, und der Vorwärts-Trainer Peter Barthold musste eingestehen: „Ich war von einem Sieg meiner Mannschaft überzeugt. Wir haben Rapid Lienz sicher unterschätzt, was aber die Leistung nicht schmälern soll.“
I can see clearly now, the rain is gone
Und während die einen ihre Bewunderung äußerten (M. Niederwieser: „Ich war von der kämpferischen und läuferischen Leistung überrascht. Rapid zeigte ein Niveau, wie es in der 2. Division gespielt wird.“), die anderen Erklärungen abgaben (Robert Idl: „Wir sind in dieser Cuppartie über uns hinausgewachsen.“), trat ein Spieler direkt nach der Wasserschlacht schon wieder auf die Euphoriebremse, Reinhard Eder: „Der Sieg gegen Steyr darf uns nicht überheblich machen.“. Er hatte recht, denn leider konnte der Schwung aus dem Pokal nicht in das tägliche Ligageschäft mitgenommen werden, Rapid Lienz belegte am Ende zwar einen sicheren Platz im Mittelfeld, hatte aber mit keiner Entscheidung etwas zu tun. Doch davon wussten die Akteure noch nichts, sie fieberten gespannt dem nächsten Cup-Duell entgegen. Wunschauslosung? „Die Erstdivisionäre Sturm Graz oder GAK.“ – ein gesundes Selbstbewusstsein hatte sich breitgemacht, und der Kassier sollte ja auch was vom Spiel haben. Und das hatte er: Der regierende Meister und Cupsieger, der FC Swarovski Tirol, durfte die Reise ins Dolomitenstadion antreten. Doch dazu ein anderes Mal…
ÖFB-Pokal, 2. Runde: SV Rapid Lienz – SK Vorwärts Steyr 1:0 (0:0)
Dolomitenstadion Lienz, 600, SR Hänsel (Salzburg), LR Kandolf, Haring (Kärnten).
Tor: Idl (62.); Gelbe Karten: Gomig, Schmuck; Rote Karte: Schaupp (72.).
SV Rapid Lienz: Tscherner, Außerdorfer, Salcher, Hans Micheler, Hartlieb, Gomig, Steurer, Eder, Omerhodzic (90.: Gerhard Micheler), Idl, Schmuck.
SK Vorwärts Steyr: Trost, Fazel (63.: Pfister), Petrovic, Hochedlinger, Lehermayr, Reiter, Barac, Polanz, Brankovic, Schaupp, Novak.