Überraschung, Überraschung!
Kleines Städtchen, große Namen
Juni war’s, 1969, und der kleine, grün-weiße Verein aus dem Dolomitenstädtchen hatte es geschafft, hatte den ersten Meistertitel in der Kärntner Liga fixiert. Die Saison war zwar noch nicht vorbei, aber der Blick schon in die Ferne gerichtet, in die Höhe… Denn am Ende der Saison von der Spitze der Kärntner Liga zu blicken, das bedeutete damals wie heute den Aufstieg in die Regionalliga - doch Ende der 60er war diese Österreichs zweithöchste Spielklasse und Sprungbrett in die Nationalliga (heute Bundesliga), gespickt mit prominenten Namen. Österreichs ältester Fußballverein, die Vienna, wurde in diesem Jahr im Osten Meister, die VOEST aus Linz in der Mitte, und ebendort warteten auch noch Vereine wie SVS Linz (die spätere Chemie), der Kapfenberger SV oder das Hochofenballett WSV Donawitz aus Leoben, wie auch Verbandskollegen a la Wolfsberger AC und Radenthein.
Schwarz-Grün lässt grüßen…
Für solche Gegner, da musste man selbst als überlegener Meister neue Spieler testen, und am Besten gegen einen „Großen“, gegen einen, der nach einer Saison der vielen Siege eine wahre Herausforderung darstellt, der spielerisch und kämpferisch vorzeigt, was geht. Und einen solchen fand man im eigenen Bundesland, denn die Schwarz-Grünen vom Innsbrucker Tivoli hatten einen starken Wandel hinter sich: Vor 11 Jahren gelang dem FC Wacker Innsbruck der Aufstieg aus der Tiroler Landesliga in die zweithöchste Spielklasse, die Arlberg-Liga. Zwei Jahre später konnte man sich erstmals beste Tiroler Mannschaft rühmen, nur weitere vier Jahre brauchte es, um auch die nunmehrige Regionalliga zu verlassen und im Konzert der Großen mitzukicken. Und das taten sie auch, holten sich 66/67 (hinter Rapid auf Grund des Torverhältnisses) und 67/68 den österreichischen Vizemeistertitel und stießen 69 bis ins Viertelfinale des ÖFB-Pokals vor.
…Grün-Weiß grüßt zurück!
Doch auch der Kärntner Meister aus Osttirol hatte sich, vorsichtig ausgedrückt, verbessert. Musste man sich zu Beginn des Jahrzehnts noch mit der Unterliga zufrieden geben, so brachte das neue Dolomitenstadion und Grün-Weiß einen wahren Ballesterer-Boom in die Sonnenstadt: 63/64 stieg man als Meister in die Landesliga auf, nachdem man im letzten Spiel der Saison im direkten Duell den FC Seebach biegen und überholen konnte – und dies vor 1800 begeisterten Zuschauern. 66/67 holte man sich den Vizemeister, und nun stand man vor dem ersten Landesmeister-Titel, dem Aufstieg und der erstmaligen Qualifikation zum österreichischen Cup. Und um dort zu bestehen, suchte man einen starken Rückhalt im Tor, hatte doch Gatterer die Rapidler nicht überzeugt (immerhin hatte man ja 0,9 Tore pro Spiel erhalten – bei 3,7 erzielten…). Was lag näher, als Moser vom Innsbrucker SK beim Nordtirol-Gastspiel zu testen.
Schnelle Tore…
Auch Wacker Innsbruck teste Spieler: Peter Werner, vorher bei den Kickers aus Offenbach und Bayern München tätig, streifte das Trikot des Tiroler Nationalligisten ebenso über wie der 18fache jugoslawische Nationalspieler Bego von Bayer Leverkusen. Und ein neu erworbener Spieler gab sein Debüt als Wackerianer, der Tags zuvor noch Teamkollege des von Rapid getesteten Torhüters war: Kurt Jara. Denkt man sich dann auch noch die weiteren Spieler wie Wolny oder Ettmayer dazu, dann wusste man schon im Vorhinein, dass Lienz keinen leichten Stand haben würde. Und so war es auch, Moser, der überaus nervös wirkte, musste nach 15 Minuten schon das zweite Mal hinter sich greifen, beide Male hatte Wolny getroffen. Unter den Journalisten und Zuschauern wurde bereits über eine zweistellige Packung gemutmaßt, als sich der Aufbauläufer der Lienzer, Kratzer, ein Herz nahm und mit seinem Schuss von der Strafraumgrenze nach einer halben Stunde den Anschlusstreffer erzielen konnte. Ab diesem Zeitpunkt lief es für die Osttiroler, und beinahe wäre ihnen auch noch vor der Pause der zu diesem Zeitpunkt nicht unverdiente Ausgleich gelungen.
…großes Lob
So konnte man in den Nordtiroler Printmedien lesen: „Von diesem Zeitpunkt gaben die Lienzer einen durchaus ebenbürtigen Gegner ab, sie kämpften beherzt, kombinierten auch recht gefällig und waren in Tornähe nicht ungefährlich. Ihr frisches, ungekünsteltes, geradliniges Spiel zusammen mit der Beweglichkeit der ganzen Mannschaft war genau das, was Wacker in den letzten Meisterschaftsspielen so vermissen ließ. Nach anfänglicher Unsicherheit gab es bei der von Stopper Webora organisierten Abwehr nur mehr schwer ein Durchkommen für die Innsbrucker Stürmer, im Mittelfeld gefiel Kratzer neben seinen Weitschüssen in erster Linie durch sein kraftvolles, raumgreifendes Spiel. Im Angriff ging von dem technisch ausgezeichneten Unterweger und dem rechten Flügel Tschapeller die größte Gefahr aus.“ Die ungewohnten Lichtverhältnisse (das Spiel wurde bei Flutlicht ausgetragen) machte den Rapidlern dann aber schwer zu schaffen, und so stellte Bego neuerlich den Zwei-Tore-Vorsprung her. In der 83. Minute war es dann aber wieder ein Lienzer der scorte, doch die Freude war gering, lenkte doch Webora einen Schuss von Wolny unglücklich zum Endstand von 4:1 ins eigene Gehäuse.
Nach dem Spiel
Während Wacker durchaus kritisiert wurde ob des kaum zur Geltung gekommenen Klassenunterschiedes, wurden die Dolomitenstädter mit beinahe unangenehm viel Lob überhäuft. Und so fand sich in Tiroler Tageszeitung die Überschrift „Glückliche Überrumpelung von Wacker zu Spielbeginn – Überraschend starke Lienzer Mannschaft“, die Tiroler Nachrichten titelten „Überraschend starke Osttiroler“. Versprach dies einiges für die Zukunft Rapids, so wurden die neuen Spieler von Wacker unterschiedlich aufgenommen: Bego wurde zwar gelobt, fand aber keinen Vertrag bei den bereits damals von Geldsorgen geplagten Innsbruckern („…schon in den letzten zwei Monaten musste zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebes zugeschossen werden…“), im Gegensatz zu Peter Werner, der als Stopper bei den Bayern wie auch als Stürmer bei den Kickers bewies, dass er vielseitig einsetzbar ist. Nur Kurt Jara, der bereits verpflichtete Jungspieler, wurde gerügt („…blieb manches schuldig…“, „…unterschiedliche Leistung…überaus nervös…“). Wohl ein Zeichen, dass man nach einem Spiel nicht viel über die Zukunft eines Nachwuchstalentes sagen kann, erkämpfte er sich doch - wenig überraschend - einen Stammplatz, wurde Meister und Cupsieger, Nationalteamspieler, kickte für Valencia, Duisburg und Schalke – nachdem er gegen Rapid Lienz manches schuldig blieb.
Testspiel: FC Wacker Innsbruck – SV Rapid Lienz 4:1 (2:1)
17.06.1969, Tivoli W-1 (Innsbruck), 500 Zuschauer, SR Neurauter;
Tore: Wolny (5., 15.), Bego (55.), Webora (ET, 83.); Kratzer (30.);
FC Wacker Innsbruck: Rettensteiner (Tschenett), Lederer, Werner, Rinnergschwendter, Voggenberger, Obert, Ettmayer, Vögel (Hohenwarter), Wolny, Bego, Jara.
SV Rapid Lienz: Moser, Oberhuber, Webora, Dinic, Bergmeister, Kratzer, Strasser, Tschapeller, Mair, Unterweger, Rindler.